Sonntag, 6. April 2008

Haha-Hamlet - Hat dieser Kerl kein Gefühl von seinem Geschäft? Er gräbt ein Grab und singt dazu

Karg war das Bühnenbild im Thalia-Theater, nur auf einem schachbrettartigen Parkett agierten die Gestalten, im Hintergrund wartete der Rest des Ensembles wie Auswechselspieler einer Eishockeymannschaft auf ihren Einsatz. Karg war die Ausstattung mit Kostümen: eine Unterhose der Ophelia fehlte, wie auch der BH für Königin Gertrude. Beim Auftritt des Geistes bekreuzigte sich eine Zuschauerin mit den Perlenohrsteckern, weniger vor Furcht, vermutlich eher aus Mitleid mit dem Penisschwinger.

Hamlets Sein-oder-Nichtsein-Monolog schien von den Teletubbies inspiriert: Nochmal, nochmal! Auf den verzweifelt Geschrieenen folgte der düster Geraunte. Das hört sich jetzt vielleicht etwas bösartig an, deshalb soll der Hamlet Hans Löw ausdrücklich über den grünen Klee hinaus gelobt werden. Schöne Stimme, kraftvoller Typ. Präsenz, Aura, Größe.

Da jede Hamlet-Inszenierung auch ein Spiegel der Zeit ist, verwundert es nicht, dass in dieser Inszenierung dem Polonius, Musterbeispiel eines wildgewordenen Bürokraten, der meiste Platz eingeräumt wird. Sein Bruch des Postgeheimnisses mit Verkündung des Hamletschen Vierzeilers „Zweifle an der Sonne Klarheit, Zweifle an der Sterne Licht, Zweifl’ ob Lügen kann die Wahrheit, Nur an meiner Liebe nicht“ wurde ausgewalzt und eingefaltet wie ein Hamburger Franzbrötchenteig und Gertrudens Einwurf „Mehr Inhalt wen’ger Kunst“ mit Szenenapplaus bedacht. Der sonst hervorragende Norman Hacker zeichnete reichlich Anleihen bei der Jim-Carrey-Bank für kinetische Kaspereien, aber was solls.

Und der wortgewandte intrigante Mörder und Blutschänder Claudius? Er hätte vor Hamburgs korrupten Richtern sicher Gnade gefunden, inklusive Asylrecht und bei vollem Bezug seiner königlichen Rente. Verkehrte Welt: Es steht Tragödie auf der Hamlet-Packung, doch die Leute sehen nur Comedy.

Trotzdem: ein guter, hochklassiger Theaterabend. (4 von 5)

Hamlet. Thalia Theater, Premiere Sa, 5. April 2008
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Henrik Ahr, Kostüme: Barbara Drosihn, Musik: Bert Wrede, Dramaturgie: John von Düffel – Darsteller: Hans Löw (Hamlet), Felix Knopp (Claudius, König), Victoria Trauttmansdorff (Gertrud, Königin), Norman Hacker (Polonius), Paula Dombrowski (Ophelia), Jörg Koslowsky (Laertes), Jan Dziobek (Der Schauspieler), Markus Graf (Geist, Hamlets Vater/Osrick), Moritz Grove (Rosenkranz), Andreas Köhler (Güldenstern), Peter Per (Reinhold)

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