Dienstag, 26. Juni 2007

Nach grauen Tagen


Der heutige Tag, verregnet, trieb mich in die Buchhandlung. Nichts bei den Klassikern, nichts in der Lyrik-Ecke, die doch nur die Erotik-Abteilung abschirmen soll. Da war doch was? 25. Juni 1926, Ingeborg Bachmanns Geburtstag. (Die Buchhandlung verließ ich mit dem Fragebogen ihres Ex-Geliebten Max Frisch.)

NACH GRAUEN TAGEN
Eine einzige Stunde frei sein!
Frei, fern!
Wie Nachtlieder in den Sphären.
Und hoch fliegen über den Tagen
möchte ich
und das Vergessen suchen – – –
über das dunkle Wasser gehen
nach weißen Rosen,
meiner Seele Flügel geben
und, oh Gott, nichts wissen mehr
von der Bitterkeit langer Nächte,
in denen die Augen groß werden
vor namenloser Not.
Tränen liegen auf meinen Wangen
aus den Nächten des Irrsinns,
des Wahnes schöner Hoffnung,
dem Wunsch, Ketten zu brechen
und Licht zu trinken – – –
Eine einzige Stunde Licht schauen!
Eine einzige Stunde frei sein!
Ingeborg Bachmann, 1944

Auch und besonders für Gilad Shalit, seit einem Jahr und einem Tag Geisel von Terroristen.

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