Sonntag, 30. Dezember 2007

Shakespeare vs. Goethe

Der Weihnachtsmann spielte mir ein ebenso amüsantes wie kluges Buch des ex-hawaiianischen Mediävisten Eric T. Hansen in die Hände. Es heißt „Deutschlandquiz - Alles, was sie über dieses Land wissen sollten und nie zu fragen wagten“. Neben spannenden Themen wie der deutschen Aussterbeangst und dem Tagesablauf eines Stasi-Rentners widmet Hansen sich auch der ganz hohen Literatur:
Kann es sein, dass Deutschland und England zwei verschiedene Literaturtraditionen vertreten? …
Shakespeare schrieb für seinen Lebensunterhalt. Er war Freiberufler und auf zahlendes Publikum angewiesen. Er musste Geschichten finden, die seinen Zuschauern gefielen; Figuren, die es schafften, jedem zu Herzen zu gehen, ob gebildet oder nicht.
Goethe ließ sich zwar gern von seinen Verlegern entlohnen, das machte aber nur ein Drittel seines Einkommens aus. Der Löwenanteil stammte aus Familienvermögen und aus seiner geheimratlichen Tätigkeit. Auf ein zahlendes Publikum war er nicht angewiesen. Er schrieb aus anderen Gründen: für das Renommee vielleicht, womöglich für die eigene Unterhaltung oder einfach um der Kunst willen.
Deutsche kritisieren gern den Hang mancher englischen und amerikanischer Bestsellerautoren zum Kommerz, doch wir finden es ehrenvoll, unseren Wert an verkauften Exemplaren zu messen. Den Deutschen reicht das nicht - sie wollen mehr, sie streben nach intellektuellen Hochleistungen. Kommerz erscheint ihnen als Kompromiss und als Sünde gegen die Kunst. Beide Einstellungen entstammen den Erzähltraditionen ihrer Länder und werden von den jeweiligen Vorbildern Shakespeare und Goethe verkörpert. (Eric T. Hansen)
Selten hat mir jemand so sehr aus der Seele gesprochen.

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